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Workshop zu Lean Product Development Principles mit Donald Reinertsen

Viele Agilisten ist nicht bewusst, auf welchen grundlegenden Prinzipien agile Methoden basieren und warum manche Praktiken eben nicht immer hilfreich sind, auch wenn sie im Kanon der agilen Frameworks einen Stammplatz haben.

Bei Nachfragen wird schnell auf das agile Manifest und die zugehörigen agilen Prinzipien verwiesen. Der eine oder andere wird es noch um die „agilen Werte“ ergänzen (vgl. Scrum Values).

Diese Betrachtungsweise – so hilfreich und inspirierend sie sein mag – ist jedoch für tiefergehende Überlegungen jedoch nur bedingt geeignet. Da sowohl Manifest als auch die zugehörigen „Agile Principles“ aus einem bestimmten Kontext heraus formuliert wurden, gibt es immer wieder Bemühungen diese zu aktualisieren und in ihrer Anwendbarkeit auszuweiten (z.B. durch Scott Ambler). Mangels Problembewusstsein vieler agiler Protagonisten bleiben diese Bemühungen bisher leider eher unbeachtet.

Seit einigen Jahren wird neben „Agile“ auch zunehmend über „Lean“ gesprochen, welches unter dem Stichwort „Lean Production“ und „Lean Management“ im produzierenden Gewerbe schon länger bekannt und im Einsatz ist.

Lean Product Development

Es wurde immer wieder versucht die Prinzipien aus der Lean Production auf die Produktentwicklung anzuwenden – häufig mit mäßigem Erfolg. Dies liegt daran, dass einige grundlegende Regeln und Prinzipien bei der Produktentwicklung anders sind als bei der Produktion von Produkten. Richtig verstanden, helfen diese Lean Product Development Principles dabei, geeignete Praktiken und Bewertungsfunktionen für Agile und Lean Prozesse zu definieren bzw. einzuordnen.

Genau mit diesen Prinzipien im „Lean Product Development“ beschäftigt sich der auf dieem Gebiet international als Vordenker bekannte Donald Reinertsen seit Jahren. Sein Buch „The Principles of Product Development Flow: Second Generation Lean Product Development“ kann hier mittlerweile als Standardwerk angesehen werden.

 

Executive Workshop mit Donald Reinertsen

Im März konnte ich zusammen mit ca. 30 anderen Beratern und Executives an einem Workshop mit Donald Reinertsen teilnehmen. Herzlichen Dank an dieser Stelle an die Organisation durch bor!sgloger training KG und KEGON AG, die diesen Workshop möglich gemacht haben.

Der Einstieg in den Workshop war eine kurze Zusammenfassung, wie Lean die Produktion verändert hat und warum dies die Ertragslage von Unternehmen verbessert. Im nächsten Schritt verdeutlichte Don nochmals die Unterschiede zwischen Produktion und Entwicklung um dann über die momentan existierenden Spielarten (Schulen) von Lean Product Development zu sprechen:

  • Toyota School – Toyota definiert Lean und man muss nur Toyota kopieren, um Erfolg zu haben. Interessant an dieser Stelle war der Hinweis auf die begrenzte Innovationskraft von Toyota (Welche Innovationen neben Prius / Hybrid kommen von Toyota?)
  • Repackaging – Einfach die Ideen aus dem Lean Production übernehmen und unreflektiert anwenden.
  • Basic Principles – Identifikation von logischen und mathematischen Prinzipien im Lean Manufacturing und diese dann übertragen auf Lean Production. Übernahme fortschrittlicher Konzepte aus anderen Domänen (Verkehrswesen, moderne Kriegsführung, Internet/Netzwerkoptimierung).

Der restliche Workshop war ausgerichtet an der bekannten Strukturierung aus seinem Buch:

  • Ökonomische Betrachtung / Wirtschaftlichkeit: Wir müssen Attraktivität und Investitionsbedarf bewerten und vergleichen können.
  • Warteschlangen: Zu hohe Auslastung als primärer Grund, dass Systeme kollabieren bzw. nicht mehr zu beherrschen sind und der Investitionsbedarf („Kosten“) immer weiter steigt.
  • Variabilität / Schwankungen: Wenn in der Entwicklung Wert erzeugt wird, dann steigt automatisch auch die Variabilität . Dies ist jedoch nicht automatisch negativ zu bewerten.
  • Losgröße: Die Funktion aus Lagerkosten und Transaktionskosten muss optimiert werden.
  • Umlaufbestand (WIP, unvollendete Arbeit): Bedeutung von Transparenz, um für das Problem des Umlaufbestands zu sensibilisieren.
  • Umgang mit Unsicherheit: Bedeutung von Rhythmus und Synchronisation beim Umgang mit Unsicherheit.
  • Schnelles Feedback: Varianz und Risiken sind immer Teil einer Produktentwicklung – umso wichtiger ist schnelles Feedback.
  • Kontrolle & Entscheidungen: Zentral vs. Dezentral – soviel wie möglich „vor Ort“ entscheiden, da „Warten auf Entscheidungen“ eine erhebliche Investition darstellt und Risikokosten steigen (da der Markt sich weiter bewegt).

Diese Inhalte des Buches waren mir bereits bekannt, allerdings wurden sie durch weitere Erläuterungen und Beispiele sehr anschaulich und eingängig erläutert. Besonders die immer wieder angesprochenen Fallbeispiele konnten deutlich machen, welche Relevanz die Product Development Principles gerade bei grundlegenden Entscheidungen für das Management haben.

Für mich ist erstaunlich, wie wenig die meisten agilen Praktiker und Berater über diese Prinzipien wissen, reden und umsetzen. Im Vergleich zu der fundierten Betrachtungsweise die die Lean Product Development Principles darstellen, kann man viele beliebte Beiträge auf unseren „agilen Konferenzen“ eher dem Unterhaltungsgenre zuordnen: Schöne bunte Bilder, unterhaltsame Geschichten und ein wenig Zauberei und Show.

Hierzu bot der Workshop ein klares Kontrastprogramm:

  • Keine bunten Bilder sondern eher altbackene Folien. Dafür gut erläuterte (minimalistische) Skizzen auf Flipcharts und wenige, klare Zahlen mit hoher Aussagekraft.
  • Keine leicht verdaulichen Anekdoten sondern Einblicke in schwierige Fallbeispiele mit gekonnter, detaillierter Erläuterung des Kernproblems – und dem Hinweis, dass es eben nicht die eine Wahrheit gibt sondern das Formulieren einer hilfreichen Lösung schwere Arbeit ist.
  • Keine Zauberei sondern relativ trocken aber absolut fundierte Argumentationsketten.

ReinertsenSkizze

Herrlich! Zumindest ein Kontrastprogramm nach einem (durch mich wahrgenommenen) Zuviel an Marktschreierei und Esoterik auf den üblichen Veranstaltungen, welches gerade die letzten 1-2 Jahre durch das Thema „Agile @ Enterprise“ bzw. Skalierung von Agilität zugenommen hat.

Mein Fazit: Ein gut investierter Tag für jeden Entscheider, der dazu bereit ist seinen eigene Sichtweise zu hinterfragen und nach mehr sucht als das, was wir heute häufig als agile Rezepte verkauft bekommen.

Hinweis: Eine weitere Zusammenfassung des Workshops findet sich im Blog von KEGON.

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Management 3.0 Trainer Jürgen Dittmar im Interview

Mit Management 3.0 hat Jurgen Appelo 2011 ein Buch publiziert, welches die wichtigsten Ideen eines modernen Führungsverständnisses gebündelt darstellt. Mittlerweile gibt es neben Jurgen weltweit eine ganze Reihe offizieller Management 3.0 Trainer, die dieses Seminar anbieten.

Einer dieser Trainer ist Jürgen Dittmar, der mich im September 2013 in seinem Management 3.0 Seminar begeistert hat. Jürgen ist bekannt für die Übersetzung der Kursunterlagen ins Deutsche und sicherlich einer der etabliertesten Management 3.0 Trainer im deutschsprachigen Raum.

An diese Stelle der Hinweis auf sein nächstes Seminar am 20. Januar in Frankfurt: http://www.scrum-events.de/zertifizierungen/management30/index.html. Ich selbst habe damals die Teilnahme sehr genossen und obwohl ich das Buch schon kannte eine ganze Menge Inspiration und Ideen mitnehmen können.

Jürgen Dittmar und das Management 3.0 Model
Jürgen Dittmar und das Martie, das Management 3.0 Model

So, jetzt ein paar Fragen an Jürgen.

Kannst Du Dich kurz vorstellen? Was beschäftigt Dich?

Vorstellen? O.k. hier ein paar Daten: Ich bin inzwischen 50 Jahre, verheiratet, 3 Töchter, 4 Enkelkinder und wohne in München. Ich habe Geographie, Politikwissenschaft und Arbeits- und Organisationspsychologie studiert und bin als freiberuflicher Unternehmensberater für Organisations- und Managemententwicklung insbesondere in agilen Transformationsprozessen tätig.

Dabei verstehe ich mich eigentlich als Entwicklungshelfer. Entwickeln dabei in zweierlei Hinsicht: Ich entwickle und entfessle Menschen und Organisationen. Und da sehe ich viele Fesseln, die sich Unternehmen und Menschen selbst auferlegen und nicht mehr hinterfragen.

Und was mich so beschäftigt?

Wenn ich so zurückblicke ist das bestimmende Thema in meinem Berufsleben schon immer das Thema Systeme oder “komplexe Systeme”. Zunächst als Diplom Geograph waren es die Ökosysteme in der Umweltanalyse und -planung, dann komplexe IT Systeme in meiner Zeit als Entwickler und Projektleiter und spätestens seit 12 Jahren – als ich Führungskraft und Manager wurde – das Thema Mensch und die komplexen soziale Systeme in (IT-)Organisationen und Projekten. Und das ist das was mich aktuell treibt: wie kann man wirklich Organisationen schaffen, in denen Menschen extrem motiviert, kooperativ und produktiv zusammenarbeiten. Mit Agile und Scrum als Erfolgsmodell und Basis stehen wir aus meiner Sicht da aktuell an einer Zeitenwende was das betrifft.

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Scaling Agile & Lean – Scaled Agile Framework (SAFe)

Scaled Agile Framework (SAFe)

Das Scaled Agile Framework (Abkürzung: SAFe) ist ein umfangreiches, deskriptives Framework, um Agile/Lean auf der Team-, Programm- und Portfolio-Ebene zu ermöglichen und für große Organisationen handhabbar zu machen. Hierzu beschreibt es Strukturen, Rollen, Prozesse und Artefakte die relevant sind für ein agiles/lean Programm- und Portfoliomanagment. Eine komplette interaktive Beschreibung von SAFe befindet sich auf der Webseiten des Frameworks:  http://scaledagileframework.com/.

Adressierte Problemfelder

Mit SAFe werden vielfältige Herausforderungen adressiert, die für große Vorhaben und Organisationen nicht unüblich sind. Hierzu gehören:

  • Entropie / Varianz und lokaler Optimierung: Agilität auf der Team-Ebene mit sich selbst organisierenden Teams und nicht koordinierten Product Ownern führt zu einer hohen Entropie / Varianz. Kurz: Es kommt zu lokaler Optimierung die einer organisationsweiten Optimierung entgegenwirkt.
  • Intransparenz: Hohe Freiheitsgrade und mangelndes Alignment führt unternehmensweit gesehen zu einer geringen Transparenz. Die möglicherweise gesteigerte Produktivität einzelner agiler Einheiten kann nicht mehr übergreifend gebündelt werden und Steuerungsmechanismen versagen. Dies wiederum führt zu einer Gegenbewegung und Fehlentscheidungen.
  • Agilität bei Großkonzernen: Viele agilen Frameworks fokussieren in ihren Implementierungspraktiken auf die Team-Ebene als Kern des Wertschöpfungsprozesses. Vereinfachte Konzepte wie „PO definiert Business Value“ versagen jedoch in einem skalierten Umfeld, in dem der PO aufgerieben wird zwischen Anforderungen aus der Trägerorganisation, Kontakt zu Markt/Kunden und Verfügbarkeit für das Team.

Basierend auf Praxiserfahrungen wurden im SAFe Konzepte und Vorgehensweisen definiert, die auch in einem skalierten Umfeld tragfähig sind.

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